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1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 461

1859 - Lübeck : Rohden
Xxii. §. 11. Die Türkennoth und die Eroberung Eonstantinopels. 461 Staub sinken, der Grund und Boden des christlichen Reiches an den türkischen Reitersmann als ein persönliches Lehngut vertheilt werden, die heranblühende Jugend der unterworfenen Christenvölker in das Serail des Türkensultans sich schleppen lassen, um entweder zum mi- litärischen Dienst als Fußvolk (Janitscharen) oder Reiter (Sipahi) oder zum höhern Dienst als Beamte, Heerführer, Paschas und Ve- ziere des Großherrn abgerichtet zu werden. So mußte dies Volk von Sklaven, voll hündischer Unterwürfigkeit unter die Despotenlaune des einen Mannes, der über Leben und Eigenthum aller seiner Un- terthanen nach Willkür zu verfügen hatte, Herren werden über die Nachkommen des freiesten und bewundertsten Volkes der alten Welt. So mußte Constantinopel fallen (1453) und von dem uralten christ- lichen Kaisersitz die Fahne des Propheten von Wien und Ofen bis Bagdad und Cairo wehen. Nie hat es ein dämonischeres, folgerichtigeres und wirksameres Unterdrückungssystem gegeben, als das türkische. Es beruht nicht etwa darauf, daß das ganze Türkenvolk nie etwas Anderes war und sein durste als ein allezeit schlagfertiges Kriegsheer, oder daß die Vermehrung des Volks auch immer weitere Ausdehnung der Grenzen mit Nothwen- digkeit erforderte, daß der ganze Staat nichts Anderes als ein vergrö- ßertes Kriegslager war. Sondern das war der teuflische Gedanke, auf welchen die Türkenmacht gegründet ist: Schwächung und moralische Vernichtung des unterworfenen Volks durch Entziehung aller seiner frischesten leiblichen und geistigen Kräfte, wie sie in seinen Söhnen im- mer neu heranwächst, und Verstärkung der Uebermacht des Herrscher- volks durch Einreihung dieser eltern- und heimathlosen Söhne in die Kriegsmacht und die Beamtenwelt des türkischen Großherrn. Es ist schrecklich zu denken, daß alle die Siege, welche die Türken über die Christen erfochten haben, hauptsächlich durch Christensöhne erfochten sind, daß alle dke schändlichen und heillosen Rathschläge, die am Hofe des Großherrn oder in den Paschaliks wider die unterworfenen und be- nachbarten Christenreiche ausgebrütet sind, in den Köpfen von Christen- söhnen entstanden und von ihren Händen zur Ausführung gebracht sind. Mit dem Mark der unterjochten Völker kräftigte sich der Türke, um furchtbarer zu herrschen, um schrecklicher zu unterjochen. Nie waren bisher von anderen mohamedanischen Völkern solche vernichtende Mittel einer dämonischen Staatskunst in Anwendung gebracht. Weder die Araber noch die Seldschukken, weder die ägyptischen noch die spanischen Khalifen hatten sich also, Vampyren gleich, vom Herzblut der Christen genährt, um sie dann desto erbarmungsloser in den Staub zu treten. Aber es war freilich auch kein anderes Volk also vollständig ausgereist zum Gericht wie das Griechenvolk zu Constantinopel. Was hatte nicht der Herr schon alles von Strafen und von Erbarmungen an dies elende Geschlecht gewandt! Wie oft hatte er das schon begonnene Gericht wie-

2. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 500

1859 - Lübeck : Rohden
500 Xxiii. §. 7. Bekenritniß und Bündniß der Evangelischen. zertreten; ihnen ist nur wohl unter den Ruinen zerstörter Herrlichkeit, sie gedeihen nur in verwüsteten, zu Grunde gerichteten Ländern. Und diese Unholde hatten angefangen, auch unser deutsches Vaterland zu bedrohen. Schon war Ungarn ihre Beute geworden. Auf dem Schlachtfelde von Mohacz hatte der letzte König aus Dem Stamm der Jagellonen (1526) fein Leben verloren. In Ofen hatte der stolze Sultan Soliman eine Zeitlang seinen Sitz genommen; den ehrgeizi- gen und gewissenlosen Johann Zapolpa, den Fürsten von Sieben- bürgen, hatte er zu seinem Vertreter und Statthalter in Ungarn ein- gesetzt. Da nun aber König Ferdinand sich die ungarische Krone auf's Haupt zu setzen wagte, brach der zürnende Großherr mit seinen Hunderttausenden wieder hervor aus seiner Hauptstadt, über- schwemmte und verwüstete Ungarn unv lagerte sich im Herbst 1529 vor Wien. Da gerieth das ganze deutsche Volk in Schrecken. Die Protestanten, obgleich sie eben erst auf dem Reichstag zu Speier vom König Ferdinand und seinen Rathen so ungnädig behandelt und aus dem Friedeil des Reichs ausgeschlossen waren, vereinigten ihre Fähnlein und ihr Geschütz mit den Katholischen, um die „fremden Teufel" die Donau hinunterzujagen. Und schon hatten die Janitscharen vor Wien's Mauern den Muth verloren. Wie oft hatten sie gestürmt und waren immer mit schwerem Verlust zurückgeworfen. Soliman sah, daß ihm hier seine Grenze gesetzt sei, und wich zurück. Aber schon 1532 be- wegte er sich mit größeren Heeresmassen abermals gegen die deutschen Grenzen. Kurz vorher war, wie wir wissen, der Reichstag zu Augs- burg gehalten, der sch m alkald i sch e Bund geschlossen; das deutsche Reich war in einer schweren Spaltung begriffen. Soliman hatte darauf gerechnet, die Deutschen wider einander zu Felde liegend zu finden; er meinte, dies Mal würde kaum ein Grenzhüter da sein, ihm Widerstand zu leisten. Wie hatte er sich verrechnet! Daö größte und schönste Heer, welches Deutschland seit geraumen Jahren aufgebracht, stand ihm gegenüber. Er wagte nicht es anzugreifen. Nach wenigen Versuchen, in Steiermark einzudringen, um dort zu plündern, hatte er sich entschlossen, zurückzugehen, ohne auch nur das Mindeste von seinen großen Entwürfen in's Werk gesetzt zu haben. Woher nun diese Kraft und Einigkeit der Deutschen? Nicht durch die Nachgiebigkeit der katho- lischen Fürsten; die wollten wenigstens das gerichtliche Verfahren gegen die Protestanten durchaus beibehalten wissen, mochte auch das Reich dar- über zu Trümmern gehen. Es war vielmehr die Besonnenheit des Kai- sers, welcher auch den Unwillen der katholischen Fürsten nicht scheute, als die Noth de§ Augenblicks eine größere Nachgiebigkeit gegen die Prote- stanten forderte, und es war die Vaterlandsliebe der Protestanten, die nach Luther's ernster und begeisterter Aufforderung sich wie Ein Mann gegen die Türken aufmachten, ohne mit berechnender Klugheit die schwie- rige Lage des Kaisers und seines Bruders zu benutzen, um mehr als Sicherheit, Ruhe und Frieden von ihnen zu begehren. Sie waren zu- frieden, wenn sie geduldet wurden.

3. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 651

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 12. Die Kämpfe der Gegenwart. 651 Rußland auf empfindliche Weise fühlen, daß er ihn nicht für seines Gleichen achte. Napoleon, der zur Befestigung seiner Stellung und zur Befriedigung des Heers nothwendig einen Krieg führen und Krie- gerischen Ruhm erwerben mußte, beschloß deshalb, feine Waffen zuerst gegen Rußland zu wenden. Er wußte die Eifersucht, die längst zwi- schen der größten Landmacht (Rußland) und der größten Seemacht (England) schon bestanden hatte, zu reizen und zu verschärfen, um im Bunde mit England und, wie er hoffte, auch mit Deutschland seinen Kriegszug zu beginnen. Es handelte sich zunächst um die Türkei, welche sichtlich ihrer Auflösung entgegenging, und über deren künftige Theilung sich Rußland und England nicht verständigen konnten. Die Frage hätte noch geraume Zeit unausgemacht bleiben können. Aber jetzt brachte es Napoleon durch eine Reihe wohl angelegter Aufreizungen dahin, daß zwischen Russen und Türken ein Krieg aus- brach, und sogleich eilte die vereinigte französische und englische Flotte in's schwarze Meer (1854 Frühjahr), um „die Türkei gegen Ruß- lands Vergewaltigung zu schützen". Oe streich schien es mit ihnen halten und ebenfalls den Krieg an Rußland erklären zu wollen, und machte auch immerfort sehr drohende Bewegungen gegen den gewal- tigen Nachbar, der sich erst wenige Jahre vorher so hülfreich bei der Ueberwältigung des Aufruhrs in Ungarn erwiesen hatte. Es löste den heiligen Bund der drei östlichen Großmächte und schloß sich den Westmächten an, erklärte sich für die Türken und für die napoleoni- sche Volkssouveränetät. Dazu war aber der edle und christliche Fürst auf Preußens Throne nicht zu bewegen. Mochten sie ihn locken oder bedrohen, mochten die Liberalen aus allen Seiten ein wüthendes Geschrei erheben und die feilen Zeitungen ihn mit Koth und Unflath bewerfen, er blieb fest in seiner alten Freundschaft mit seinem Schwa- ger Nico laus in Rußland, und ob er ihn gleich nicht unterstützen konnte, ohne über sein eignes Volk ein schweres Unglück herbeizuzie- hen, so hinderte er doch durch seine friedliche Beharrlichkeit jede wei- tere Ausbreitung des Krieges und deckte Rußland die Seite. Da konnten denn auch die Flotten nicht viel ausrichten; in der Ostsee gar nichts, und im schwarzen Meere, wo sie ein gewaltiges Landheer nach der Krimm gebracht hatten, lagerten sie ein ganzes Jahr vor einer einzigen Festung. Da erkannte Napoleon bald, daß hier kein groß- ßer Ruhm zu gewinnen sei, und sobald er es nur mit Ehren konnte, sobald endlich eine Hälfte von Sebastopol glücklich erstürmt war, zeigte er sich geneigt zum Frieden. In Rußland war aber inzwischen ein Thronwechsel erfolgt, der auch dort den Friedensgedanken Eingang

4. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 460

1859 - Lübeck : Rohden
460 Xxii. §. 11. Die Türkennoth und die Eroberung Conftantinopels. schon Adrianopel zu seinem Herrschersitz machen und von dort aus mit der einen Hand nach den Donauländern greifen, mit der andern Constantinopel und tzpn Rest seiner europäischen Provinzen bedräuen. Dann schien noch einmal der Herr dem ungemessenen Umsichgreifen dieses Barbarenvolks ein Ziel stecken zu wollen. Nicht durch die Christenheit, darinnen Jeder nur das Seine suchte und für die Noth der christlichen Brüder in den Ostreichen keinen Sinn und kein Herz hatte; nicht durch den Kaiser Siegmund, der, um sein neuerwor- benes Ungarland zu sichern, mit einer großen Schaar von thatendur- ftigen und abenteuersüchtigen fremden Rittern bei Rikopolis einen übermüthigen und voreiligen Angriff auf den Sultan Bajazeth mackte und darüber die Schlacht und beinahe auch Freiheit und Le- den verlor. Nicht durch die, welche Fleisch für ihren Arm hielten, wollte der Herr Sieg geben, aber er hörte das Jammergeschrei der von den rohen Wütherichen jämmerlich hingewürgten, geschändeten und nach Leib und Seele in ein unabsehbares Elend hinabgestoßenen Christenheit, und rief einen noch großem Wütherich aus den unermeß- lichen Steppen des innern Asiens, den Timur, den Mongolenkhan, der, nachdem er das halbe Asien sich unterthänig gemacht, 1402 den Bajazeth bei Angora in Klein-Asien überwand und gefangen nahm. Damals erzitterte das Osmanenreich in seinen Grundfesten. Was der fremde Eroberer begonnen, schienen die Bürgerkriege der Söhne Bajazeth's vollenden zu wollen. Der Herr wartete, ob nicht noch jetzt in der zwölften Stunde die bedrohte Christenheit würde Buße thun, nachdem sie die furchtbare Geißel schon auf ihrem Rücken ge- fühlt und wußte, welchem Schicksal sie entgegenginge. Aber nein. So wie die unmittelbare augenblickliche Gefahr vorüber war, sanken die aufgehobenen Hände wieder nieder, und das verzagte Herz erhob sich zur alten Gleichgültigkeit, zum alten Trotz und Uebermuth. Der Versuch, die griechische Kirche wieder mit der katholischen zu vereini- gen, um dadurch Hülfe aus dem Abendlande herbeizuziehen, scheiterte an der maßlosen Eigensucht und hochmüthigen Rechthaberei der Geist- lichkeit beider Theile, insonderheit der Griechen. Die Siege, welche der Herr dem tapfern Fürsten von Siebenbürgen, dem Johannes Hunyad, über die Türken schenkte, verleiteten die übrigen Fürsten mit ihrem Heere nur zu schnöder Treulosigkeit und frevelhaftem Eid- bruch, der sich sogleich durch die furchtbare Niederlage von Varna (1444) in schrecklicher Weise bestrafte. Und so mußte denn das Ge- richt seinen unerbittlichen Gang nehmen, so mußte in den europäischen Muttersitzen der Christenheit das Kreuz vor dem Halbmond in den

5. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 462

1859 - Lübeck : Rohden
4(>2 Xxii. tz. Ii. Die Türkennoth und die Eroberung Constantinopels. der zurückgezogen und neue Gnadenerbietungen gemacht! Aber dumpf und stumpf, nichts lernend und nichts vergessend kehrten sie aus den Rettungs- wie aus den Jammertagen immer wieder zu der alten ge- meinen Fleischlichkeit, zu der feigen Eitelkeit, zu der genußgierigen Habsucht eines entarteten Lebens zurück. Als der stolze Mohamed ll. 1453 vor den Thoren von Constantinopel lag und der letzte Entschei- dungskampf bevorstand, da wollte der letzte Kaiser dieses verrotteten Reichs oder vielmehr dieser Hauptstadt (denn Provinzen hatte sie schon lange nicht mehr) das Kirchenstlber zu Gelde zu machen, um das Leben seiner Unterthanen zu vertheidigen, und italienische Flotten herbeirufen zurhülfe für den schrecklichen Kampf. Aber die Geistlichkeit in der Hauptstadt fluchte ihm dafür als einem Kirchenräuber und that Jeden in den Bann, der mit dem ketzerischen Schiffsvolk Gemeinschaft mache, und die Reichen ver- steckten ihre Schätze, um sie nicht zum Kampfe herzugeben, und die Wehr- haften weigerten sich, mitzustreiten auf den Wällen ihrer Vaterstadt. In der Stadt, wo Hunderttausende wohnten, waren keine 5000 Streiter zu- sammenzubringen. Schon unterhandelten die Vornehmen mit den genuesi- schen Schiffen um die Flucht, mit den Türken um die Auslösung und den Preis des Verraths. Für sich selbst sorgte ein Jeder wie er konnte, bis denn endlich das Verderben wie ein verheerender Strom über Alle gleichmäßig hereinbrach und alle die verborgenen Schätze und alle die gesparten Kräfte dem hohnlachenden Sieger eine leichte und rühmlose Beute wurden. Aber indem Gott der Herr also diesen Mittelpunkt der vom Alter- thum herübergeretteten feinem und gelehrten Bildung mit zürnender Hand zertrümmerte, indem er das elende Gesäß zerbrach, sorgte er zu- gleich nach seiner großen Erbarmung und Weisheit für die abendlän- dische Christenheit, daß der Nardengeruch, der sich etwa noch in dem Gefäße erhalten hatte, sich weit über die Berge und die Gewässer bis nach Italien, bis nach Deutschland verbreitete. Schon waren die kräf- tigsten Ansätze zu einem neuen frischen Geistesleben absonderlich in Deutschland reichlich vorhanden. Wir haben die Gottesfreunde, die böhmischen Brüder, die tapferen Bürger der Städte, die edleren Fürsten und Ritter bereits kennen gelernt. Aber es gab noch keine Gelehrte, d. h. Kenner des Alterthums. Das grammatische Studium, die Kennt- niß altclasflscher Literatur fehlte noch gänzlich. Jetzt kamen die Lehr- meister herbei, und verbreiteten sich von Italien auch nach Deutschland, jene griechischen Gelehrten, die aus den Flammen Constantinopels nichts als ihr nacktes Leben und ihre Wissenschaft gerettet hatten, um zugleich mit der kurz vorher (1436) neuerfundenen Buchdruckerkunst in der Hand Gottes das Werkzeug zu sein, daß die Urschrift des Wortes Gottes und die Schätze alter Gelehrsamkeit und alter Kunst den harrenden deutschen Wahrheitsfreunden aufgeschlossen würden. Ohne es zu wol- len oder zu ahnen, bereiteten sie der Reformation in Deutschland einen wohlgesicherten Boden.

6. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 510

1859 - Lübeck : Rohden
510 Xxiii. §. 11. Kriege gegen Türken und Franzosen. Macht, des Reichthums, des Ansehens insonderheit der königlichen Gewalt als seine Hauptaufgabe bezeichnet. Franz 1. scheute sich nicht, mit Sultan Soli mail in das engste Bündniß zu treten- Die Flotten der Türken und Franzosen kreuzten vereinigt im Mittelmeer. In Neapel, in Spanien, in Sicilien konnte man in der Nähe des Meeres keinen Augenblick vor den mohamedanischen Bundes- genossen der Franzosen sicher sein. Die ganze nordafrikanische Küste glich einer zusammenhängenden Kette von Seeräubernestern. Eins derselben zu Tunis hatte Karl 1536 zerstört; ein anderes zu Algier konnte er nicht gewinnen, lind während die Kämpfe zur See noch dauerten, bewegten sich immer neue Heeresmassen aus dem Innern des türkischen Reichs die Donau herauf, und im Einverständniß mit ihnen rückten französische Heere gegen die flandrischen, spanischen und italienischen Grenzen. Soliman hatte 1541 in Ofen einen Pa- scha über Ungarn eingesetzt und eine ganz osmanische Regierungs- sorm über das uilglückliche Land gebracht. Nur ein kleiner Theil blieb in den Händen des östreichischen Ferdinand. Im Frühjahr 1543 brach der Sultan abermals von Adrianopel auf, um auch diesen letz- ten Rest zu gewinnen, um Wien zu erobern. In demselben Augen- blicke bedrohten die Franzosen zu gleicher Zeit die Küsten von Genua, die Gebirge von Navarra und die Niederlande. Sie zogen Däne- mark, sie zogen Schweden in ein Bündniß wider den Kaiser, sie wußten den jugendlich unerfahrenen Herzog von Cleve zu gewinnen, daß er Geldern dem Kaiser entriß und gegen ihn zu behaupten wagte. Er bekam am ersten die bösen Früchte eines solchen Bündnisses zu schmecken. Als im Herbst 1543 der Kaiser gegen ihn anrückte, er- schien kein Franzose zu seiner Hülfe, im Umsehen nahm der Kaiser sein Land ein. Und dann ging's gegen Frankreich, geradewegs auf Paris loö. Schon freueten sich die Deutschen, das Nest deö großen Tür- kenfreundes zu zerstören und auszuplündern, da gab Franz nach und schloß den Frieden zu Crespy 1544. Es wäre dem Kaiser unmöglich gewesen, solch schnellen Erfolg ge- gen den alten Erbfeind zu gewinnen, wenn er nicht sie Protestanten vollständig auf seine Seite zu bringen gewußt hätte. Der schmalkal- dische Bund war damals überaus mächtig. Er hatte eben erst den feindseligen Herzog Heinrich von Braunschweig aus seinem Lande verjagt, und Niemand hatte es gewagt, ihn daran zu hindern oder da- für zìi strafen. Die Könige von Dänemark und Schweden, welche beide die Reformation in ihre Länder eingeführt, wünschten nichts Lie- beres, als in den Bund mit ausgenommen zu werden. Dasselbe Be- gehren hatte auch der junge Herzog Wilhelm von Eleve, der im An-

7. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 571

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 4. Deutschlands Elend und die Anfänge des Rationalismus. 571 wohlgefällig den französischen Sold in ihre Taschen. Französische Heeresabtheilungen zu Pferde und zu Fuß durchzogen nach Belieben das deutsche Reich, jetzt, um die ungehorsame Stadt Erfurt zu stra- fen, jetzt, um dem schwachen Kaiser Leopold l. (1658—1705) ge- gen die Türken beizustehen, die nach langer Zwischenruhe wieder einmal sich erhoben hatten, um durch Ungarn und Siebenbürgen bis nach Mähren vorzudringen. Durch französische Hülfe gelang es, sie bei St. Gotthard an der Raab zurückzuschlagen (1664). Ein anderes Mal dagegen hetzten d.ie Franzosen selber den Türken gegen den Kai- ser auf, und schon erschien der alte Erzfeind der Christenheit wieder vor Wien, schon zitterte Deutschland, als noch zur rechten Zeit der tapfere Polenkönig Sobiesky die Türken zurückschlug und die Stadt rettete (1683). Wieder ein andermal — und daß wir sagen könn- ten einmal, aber Jahrzehende hindurch hat es sich wiederholt—fin- den wir die Franzosen in der Pfalz, in Baden, im Rheingau eifrig beschäftigt, womit? — alle Städte und Dörfer zu verbrennen, alle Aecker und Weinberge zu zerstören, alle Gärten und Waldungen zu vernich- ten, das ganze Land in eine heulende Wildniß zu verwandeln, und Niemand wehret ihnen. Deutschland gleicht zu jener Zeit einem rie- sigen Körper, dem alle seine Glieder aus den Fugen und Gelenken gegangen sind. Er ist rettungslos, ja regungslos dem Schnabel und den Krallen des gallischen Hahnes preisgegeben. Alle einheitliche Ord- nung, zusammenhaltende Regierung, ja alles Bewußtsein der Zusam- mengehörigkeit ist dahin. Der immerwährende Reichstag zu Regens- burg (seit 1663), der die oberste Verwaltungsbehörde vorstellen sollte, erregte nur Spott und Verachtung, um Kaiser und Reich kümmerte kein Fürst sich mehr. Jeder tyat, was ihm recht däuchte, die Meisten das, was Frankreich wohlgefiel, Niemand aber das, was dem Vaterlande frommte. Es ist wohl ein Anblick zum Weinen. Und doch, konnte es denn anders sein? Deutschlands ganzes politisches Dasein ruhte aus der Pflege und innern wie äußern Entwicklung der christlichen Kirche. So lange diese im Aufsteigen war, stieg auch Deutschlands Größe und Herrlichkeit stetig empor. Als die Kirche verweltlichte und ihre Kraft und Bedeutung verlor, ward auch das deutsche Reich haltlos und ohnmächtig. Als mit der Reformation neue Geisteskräfte die verdorrte Kirche durchdrangen, da erhob sich auch Deutschland abermals zu weltgebietendem Ansehen. Da aber die zerspaltene Christenheit mit sich selber in Kamps gerieth und auf Deutschlands Boden der furcht- bare Krieg der feindlichen Kirchen ausgekämpft wurde, da hatte Deutschlands, des alten deutschen Reiches Sterbestunde geschlagen.
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